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慕尼黑:这座城市“丝毫不能给人灵感” | Stadtgeschichte: München

托马斯·朗 北京德国文化中心歌德学院 2023-11-03

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照片来源:私人提供


慕尼黑堪称是作家克里斯汀·温尼科(Christine Wunnicke)的住所,她还说起她喜爱的阉伶和神鬼的秘密。


那是个周五的晚上,刚过九点。巴伐利亚国立图书馆(Bayerischen Staatsbibliothek)中央宏伟的台阶上空无一人,我的脚步声在这座宏伟的建筑里面回荡。从前除了国王以外,别人都不允许踏上台阶。公众阅览室仍然对外开放,直到午夜,而有关音乐、手稿、东欧和亚洲的专刊阅览室这时早就已经关闭了。白天这里人来人往——每天大约有三千访客。总共大约有七万个用户,有超过一千万文献资料可供使用。


巴伐利亚国立图书馆阅览室 | © wikipedia.org


巴伐利亚国立图书馆外部 | © wikipedia.org


这是慕尼黑作家克里斯汀·温尼科在这座城市里最喜欢的地方。我们在宏伟的台阶上坐下来,上方是建筑家弗里德里希·冯·格尔特纳(Friedrich Gärtner)十九世纪中叶设计的殿堂穹顶和一排排的立柱。温尼科十六岁开始就来到这里了。人们把这座图书馆叫做“国图”,她对“国图”有着深厚的情感。不过她承认来的次数越来越少了。“这段时间我主要使用优秀的线上资源”,她说。不过这个是充满回忆的地方。她“最爱的阉伶”巴洛克歌手菲立普·巴拉特利(Filippo Balatri),其回忆录的手稿正被该馆收藏,她还为他写过一本传记。她在这里观察一些微缩胶片上的资料。


巴伐利亚国立图书馆内部 | © wikipedia.org


1998年以来,克里斯汀·温尼科陆续出版了十本书,其中还创作数不清的广播剧和广播节目。文章内容常常在遥远时代的遥远之地上演。在《长崎,约1642年》(Nagasaki ca. 1642)中,她展现了东方(日本)和西方(荷兰)之间一场“历史性的文化际会”(引自literaturkritik.de),以及爱情这个永恒的难题。她最新的《凯蒂》(Katie)一书则围绕英国科学家威廉·克鲁克斯(William Crookes)展开。克鲁克斯在19世纪发现放射性射线,但是也对当时著名的灵媒弗洛伦丝·库克(Florence Cook)的超能力深信不疑。《明镜报》评述温尼科对神怪的描写“让人着魔”,虽然她本人并不相信鬼神,却自诩为“超级唯物主义者”。


《长崎,约1642年》| © wikipedia.org


她的著作力求避开历史小说流派既定的风俗描写,没有采用深奥古朴的素材,而是运用精确的语言、准确的刻画和难以置信的诙谐。温尼科的作品已经两次获得德国图书奖提名。


巴伐利亚国立图书馆拥有近五百年的历史,是当时路德维希一世下令在以他命名的主干道旁边修建的。那条道路始于当时城市北面边界的音乐厅广场(Odeonsplatz),直通施瓦宾(Schwabing)。巴伐利亚州的一些政府部门和最重要的大学建筑都聚集在这里。道路修建的时候曾遭到慕尼黑市民的嘲笑,因为那里当时还用于放羊。路德维希大街如今位于城市中央。克里斯汀·温尼科虽在慕尼黑出生,却是在柏林和外国接受教育。这位女人说自己缺少“巴伐利亚基因”。“我不喝啤酒,不穿民族服装、方言也说得特别差,”她解释。


慕尼黑音乐厅广场(Odeonsplatz) | © wikipedia.org


她看待家乡的方式十分冷静,慕尼黑对她来说“像一个舒适的住所”,有很多优秀的藏品,例如在古生物方面,或者国家博物馆,里面收藏着具有文化历史学意义的展品,她简直可以“亲吻”国家博物馆。可是她又漫不经心地说这座城市“丝毫不能给人灵感”。对话中态度充满了距离感,又很友善。


慕尼黑国家博物馆 | © wikipedia.org


温尼科的小说《宁静》(Serenity)描写了现代慕尼黑的格洛肯巴赫(Glockenbachviertel)城区。书中讲述一位年逾五旬的哲学家把半辈子花在讨论虚无的毕业论文上,他在网上打劫,发现了自己不为人知的一面:他在网上出没的时候,化身为一个使用网名“宁静”的十五岁女孩。当她描写“生活在当时当地的人们”的时候,该书变成了“苦涩的讽刺”。“越靠近,感受越强烈。”因此她偏爱在时间和空间上都有距离感的题材。


温尼科说自己是这样的一个女人,喜欢独立工作,不与人交流。她基本可以把自己想象成一个数字时代的游牧民,从一个寒冷的(!)国度游荡到其他地方。“我觉得这非常棒。”不过她大多数的旅行都是从写字台出发的。


我(根据二十世纪流行的一句名言)问她,文学创作是否能让生活变得更好。她回答的时候带着常有的那种讽刺的暗示:“文学创作?是啊,是能让生活变得更好,尤其是押韵的时候。”


我们就这样在南德冷酷秋风中走出那座知识的殿堂。这座建筑在第二次世界大战中遭到了严重的破坏,原貌已不复存在。152米长、78米深的立面是德国最大的白砖结构,一直维持原状。台阶上一动不动地坐着四个石头雕像,让人想起古典时期的希腊,我们文化的摇篮。他们是历史作家修昔底德、哲学家亚里士多德,医生希波克拉底。第四位是诗人荷马。


慕尼黑国立图书馆门前的四位古典时期希腊巨擘 | © wikipedia.org


原标题:城市故事:慕尼黑—— “我简直可以亲吻国家博物馆”

作者:

托马斯•朗(Thomas Lang)是一位作家。他曾在美茵河畔的法兰克福学习德国近代文学,从1997年开始他一直生活在慕尼黑。对于他来说慕尼黑不仅是一座浮华的名利之城:这个城市更像一杯烈性的龙舌兰酒——只有看到里面的虫子,才知道酒的好坏。朗的最新小说《总是回家》在2016年由柏林出版社出版了。

翻译:肖霄
版权:歌德学院(中国)


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Stadtgeschichten: München

„Das Nationalmuseum könnte ich abküssen“


Foto: privat

Christine Wunnicke spricht über München als Wohnung, einen lieben Kastraten und die Geheimnisse des Spiritismus.


Es ist Freitagabend, kurz nach einundzwanzig Uhr. Die herrschaftliche Treppe im Zentrum der Bayerischen Staatsbibliothek ist leer und meine Schritte verhallen in dem hohen Bau. Früher durfte niemand außer dem König diese Treppe benutzen. Der allgemeine Lesesaal ist noch bis Mitternacht geöffnet, die Sonderlesesäle für Musik, Handschriften, Osteuropa und Asien dagegen sind um diese Zeit bereits geschlossen. Tagsüber herrscht reger Betrieb - etwa 3000 Menschen kommen täglich hierher. Insgesamt sind es rund 70.000 Nutzer, die auf einen Bestand von über zehn Millionen Medien zurückgreifen können.


Allgemeiner Lesesaal | © wikipedia.org


Fassade der Bayerischen Staatsbibliothek, 2011 | © wikipedia.org


Der Münchener Autorin Christine Wunnicke ist es der liebste Ort in der Stadt. Wir haben uns auf den Stufen der großen Treppe niedergelassen, über uns die Säulenreihen und das Gewölbe der vom Architekten Friedrich Gärtner Mitte des 19. Jahrhunderts entworfenen Halle. Wunnicke kommt hierher, seit sie sechzehn ist. Sie ist vielfach mit der „Stabi“ verbunden, wie die Bibliothek umgangssprachlich genannt wird. Allerdings gibt sie zu, dass sie die Räume immer seltener wirklich aufsucht. „Ich benutze mittlerweile hauptsächlich das wunderbare Online-Angebot“, sagt sie. Aber es ist auch ein Ort der Erinnerungen. Hier lagern Original-Memoiren ihres „Lieblingskastraten“, des Barock-Sängers Filippo Balatri, über den sie eine Biografie geschrieben hat. Auch manches nur auf Mikrofilm erhältliche Material sichtet sie hier.


Restauriertes Treppenhaus | © wikipedia.org


Christine Wunnicke hat seit 1998 zehn Bücher veröffentlicht, daneben zahlreiche Hörspiele und Radiofeatures. Ihre Prosa spielt oft zu entfernten Zeiten an nicht weniger entfernten Orten. In Nagasaki ca. 1642 schildert sie eine „historische Kulturbegegnung“ (literaturkritik.de) zwischen Osten (Japan) und Westen (Holland) und die ewigen Schwierigkeiten im Umgang mit der Liebe. Und in ihrem aktuellen Buch Katie geht es um den britischen Wissenschaftler William Crookes, der im 19. Jahrhundert der radioaktiven Strahlung auf der Spur war, aber ebenso an die paranormalen Fähigkeiten des seinerzeit bekannten Mediums Florence Cook glaubte. Den Geist-Erscheinungen zum Trotz – Wunnicke, deren Schreiben der Spiegel „bezaubernd“ nannte, zeigt selbst keinen Hang zum Spiritismus, vielmehr bezeichnet sie sich als „Supermaterialist“.


© amazon.de


Ihre Bücher unterlaufen die genretypische Milieumalerei des historischen Romans. Weit mehr als von den abstrus-authentischen Stoffen leben sie von der präzisen Sprache, den pointierten Bildern und dem unglaublichen Gespür der Autorin für Komik. Bereits zweimal waren Titel von Wunnicke für den Deutschen Buchpreis nominiert.


Die Bayerische Staatsbibliothek kann auf eine fast fünfhundertjährige Geschichte zurückblicken. Das jetzige Gebäude ließ Ludwig I an der nach ihm benannten Magistrale errichten. Sie führt vom Odeonsplatz, der damaligen nördlichen Stadtgrenze, hinaus nach Schwabing. Auf ihr sind einige Ministerien des bayerischen Freistaats ebenso versammelt wie die wichtigsten Universitätsgebäude. Bei ihrer Errichtung spotteten die Münchener, weil dort draußen noch die Schafe weideten. Heute liegt die Ludwigstraße mitten in der Stadt. Christine Wunnicke ist zum Studieren allerdings nach Berlin und ins Ausland gegangen. Die gebürtige Münchenerin sagt von sich, dass ihr die „bayerischen Gene“ fehlten. „Ich trink kein Bier, trag kein Dirndl, rede grottenschlecht Bayerisch“, erklärt sie.


Odeonsplatz | © wikipedia.org


Ihr Verhältnis zu ihrer Heimatstadt ist von großer Gelassenheit geprägt, München ist für sie „wie eine angenehme Wohnung“, voll toller Sammlungen, etwa der paläontologischen oder des Nationalmuseums, das sie aufgrund seiner kulturhistorisch bedeutenden Ausstellung „abküssen“ könnte. Dennoch bezeichnet sie die Stadt salopp als „die Null-Inspiration“. In unserem Gespräch zeigt sie häufig diese liebevoll-kühle Distanz zu ihrer Heimatstadt.


Nationalmuseum, München | © wikipedia.org


Wunnickes Roman Serenity spielt im Münchener Glockenbachviertel der Gegenwart. Ein über fünfzigjähriger Philosoph, der sein halbes Leben mit einer Habilitation über das Nichts verbracht hat, wird darin zum Raub des Internets und entdeckt an sich eine unbekannte Seite: die fünfzehnjährige Serenity, als die er sich im Netz bewegt. Es werde immer „eine bittere Satire“, wenn sie „hiesige, jetzige Leute“ schildere. „Je näher etwas an mich heranrückt, desto krasser wird das.“ Deshalb bevorzugt sie Stoffe, die zeitlichen wie räumlichen Abstand halten.


Wunnicke schildert sich als eine Frau, die es mag, unabhängig und mit wenig Austausch zu arbeiten. Im Grunde könnte sie sich vorstellen, als digitale Nomadin zu leben, von einem kalten(!) Land ins andere zu reisen. „Das finde ich großartig.“ Die Mehrzahl ihrer Reisen unternimmt sie jedoch vom Schreibtisch aus.


Ich frage sie (nach einem beliebten Diktum des 20. Jahrhunderts), ob Dichtung das Leben bessern könne. Wie häufig hat sie einen ironischen Unterton, als sie antwortet: „Dichten? Ja, das bessert das Leben. Besonders wenn es sich reimt.“


Und damit gehen wir hinaus aus dem Palast des Wissens in die raue süddeutsche Herbstluft. Dem Gebäude ist nicht mehr anzusehen, dass es im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde. Die Fassade des mit 152 Metern Länge und 78 Metern Tiefe größten deutschen Blankziegelbaus ist längst wieder intakt. Auf der Freitreppe sitzen ungerührt vier steinerne Gestalten, die ans klassische Griechenland erinnern, die Wiege unserer Kultur. Einer ist der Geschichtsschreiber Thukydides, ein anderer der Philosoph Aristoteles, ein dritter der Arzt Hippokrates. Der vierte ist der Dichter Homer.


Eingangsportal der Bayerischen Staatsbibliothek mit den vier Gelehrten Thukydides, Homer, Aristoteles und Hippokrates (v. li. n. re) | © wikipedia.org


Autor: Thomas Lang ist Schriftsteller. Er hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert und lebt seit 1997 in München. Für ihn ist München mehr als Schicki und Bussi: eine Stadt wie ein Tequila - man muss den Wurm darin ansehen, um sagen zu können, was sie taugt. Langs neuer Roman Immer nach Hause (Berlin Verlag) ist soeben erschienen.

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